Startseite  >>  Farbe  >>  Farbstoffportraits

Galläpfel
Bild vergrößern!Lupe Das nebenstehende Foto zeigt drei holzige Gallen der in der Türkei beheimateten Färbergallwespe Andricus gallaetinctoria. Diese Galläpfel wurden von einer Eiche abgeerntet. Galläpfel werden zwar von der Pflanze produziert, aber nur auf Anregung durch den Speichel der Gallwespenlarve, die in der Galle lebt und sich von ihrem Wirt ernährt. Die Eiche wehrt sich gegen die Bildung der Galläpfel, in dem sie Gerbstoffe produziert. Diese sollen die Entwicklung der Larven behindern. Die Larven produzieren darauf aber ein Gegenmittel.
 
 
Geschichte Gewinnung Toxikologie Portraits
   
Geschichte, Botanik und Verwendung
Die aus den Galläpfeln gewonnene Eisengallustinte ist seit dem Altertum bekannt. Der griechische Erfinder Philon von Byzanz schilderte schon um 210 vor Christus eine Herstellungsrezeptur. Vom Mittelalter bis zum Aufkommen neuer Tinten im 20. Jahrhundert wurde diese Tinte häufig für Briefe und Schriften eingesetzt. Die am 4. Juli 1776 aufgesetzte amerikanische Unabhängigkeitserklärung ist wie viele andere Verträge mit Eisengallustinte unterschrieben. Noch heute müssen wichtige Staatsverträge mit dieser dokumentenechten Tinte unterzeichnet werden. Der 1992 in Maastricht geschlossene Vertrag der Europäischen Union (EU) ist ebenfalls damit unterzeichnet. Eisengallustinte ist besonders lichtbeständig. Allerdings hat sie den Nachteil, dass sie sich im Laufe der Zeit zu Schwefelsäure und Eisen(II)-Ionen zersetzen kann. Der dabei entstehende Säurefraß oder Tintenfraß zerstört Papier. Betroffen sind vor allem billige Papiersorten mit kurzen Cellulosefasern. Qualitativ hochwertiges Kanzleipapier mit langen Cellulosefasern wurde früher aus Leinen hergestellt. Die klassische Eisengallustinte gewann man früher vor allem aus den Gallen der Färbergallwespe Andricus gallaetinctoria. Diese Gallen exportierte man in großen Mengen aus der Türkei in alle Welt.
    
  
Faltbrief mit einer Zürich 6 Rappen, geschrieben mit Eisengallustinte

Lupe

Dieser Brief ist am 9. Juni 1849 von Zürich nach Winterthur gelaufen.
Zumstein Nr. 2W III, mit waagerechtem Linienunterdruck, Foto: T. Seilnacht
   
  
Gerbstoffe kann man zur Herstellung von Tinte oder zum Gerben von Leder verwenden. Sie sind in vielen Pflanzen enthalten. So lässt sich aus Schwarztee oder aus der Rinde des Weißdorns eine Tinte herstellen. Gerbstoffe verbinden sich gerne mit Eiweißen. Beim Gerben von Leder wird chemisch gebundenes Wasser in den Eiweißen verdrängt. Dies führt zu einer besseren Beständigkeit des Leders gegen Mikroorganismen, gegen Temperaturschwankungen und gegen Feuchtigkeit. Der natürliche Fäulnisprozess wird unterbunden. Weintrauben enthalten Gerbstoffe in den Stielen, Kernen und Beeren. Der Gehalt an Gerbstoffen oder Tanninen bestimmt die Qualität des Rotweines, wenn sie in einem ausgewogenen Verhältnis zu den anderen Geschmackskomponenten wie Säure oder Zucker stehen. 
   
   
Galläpfel (a, b), Larve (c) und Gallwespe (d)

Bild vergrößern!Lupe

 Bild aus F.J. Bertuch: Bilderbuch für Kinder, Weimar 1793
Reproduktion von der Originalvorlage im Besitz von Thomas Seilnacht
  
 
Es kommen in Europa zahlreiche Gallwespen-Arten und Wirtspflanzen vor. Die Gallwespe Andricus kollari befällt vor allem Traubeneichen in Südfrankreich. Die Eichengallwespe Cynips quercusfolii ist dagegen die typische Gallwespe in Mitteleuropa. Die Entwicklung dieser Gallwespe erfolgt in zwei Generationen. Die Wintergeneration besteht nur aus Weibchen, die größer sind als die Weibchen und die Männchen der Sommergeneration. Das Weibchen der Wintergeneration legt im Winter unbefruchtete Eier in die noch ruhenden Knospen an den Zweigen der Eiche. Dort bilden sich bis zum folgenden Frühjahr kleine, mehrere Millimeter große, purpurrote oder bräunliche Gallen, die mit Haaren bedeckt sind. Im Frühsommer schlüpfen daraus männliche und weibliche Gallwespen der Sommergeneration, die durch eine ungeschlechtliche Entwicklung entstanden sind. Nach der Paarung und Begattung fliegen die Weibchen zu einem Eichenblatt und legen befruchtete Eier an der Blattunterseite ab. Daraus schlüpfen Larven, die einen Saft absondern, so dass das Eichenblatt angeregt wird, eine mehrere Zentimeter große Galle zu bilden.
 
  
Galläpfel an einem Eichenblatt

Lupe

Diese Galläpfel wurden im Schweizer Wallis am 4. Mai fotografiert.
 
 
Der Gallapfel ist anfangs grün, später verfärbt er sich gelblich oder rötlich. Wenn das Blatt mit den Galläpfeln im Herbst an den Boden fällt, verpuppen sich die Larven. Aus der Puppe entsteht dann immer eine weibliche Gallwespe, die aus dem Schlupfloch des Gallapfels kriecht. Diese weibliche, zweite Generation ist durch eine geschlechtliche Fortpflanzung entstanden. Der Zyklus beginnt im Winter von vorne. Die Larven selbst werden übrigens oft von Parasiten befallen, die ihrerseits von den Gallen profitieren.

Gallen werden nicht nur von Gallwespen verursacht. Es gibt eine Vielzahl an Insekten, Pilzen, Bakterien, Viren oder Milben, die sich auf diese Art und Weise mit Hilfe eines Wirts fortpflanzen. Die Buchengallmücke Mikiola fagi legt zum Beispiel bis zu 300 Eier in die Blattknospen der Rotbuche. Die entstehenden Larven bringen das Blatt dazu, eine zitronenförmige, etwa ein Zentimeter große Galle zu produzieren. Im Herbst fallen die Gallen vom Blatt ab, sie überwintern unter der Schneedecke, im Frühjahr verpuppen sich die Larven. Nach 15 bis 20 Tagen schlüpfen daraus die fertigen Mücken. Die Biologie der gallenbildenden Insekten ist außerordentlich kompliziert, so gibt es auch Eichengallwespen, die sogenannte Knoppern an den Eichelfrüchten wachsen lassen und die zwei verschiedene Eichenarten zur Entwicklung der beiden Gallwespen-Generationen benötigen.
   
Gewinnung und Färbungen
Tannin stellt ein Stoffgemisch dar, das aus Naturprodukten wie Galläpfel und Eichenrinden gewonnen wird. Das helle Pulver dunkelt an der Luft oder beim Erhitzen nach und färbt sich lachsfarben oder bräunlich. Beim starken Erhitzen auf über 200 °C zersetzt es sich in Pyrogallol und Kohlenstoffdioxid. Es ist gut löslich in Wasser, Glycerin, Alkohol oder Aceton. Tannin enthält als Komponenten verschiedene Glucose-Ester der Gallussäure. Mit wässrigen Lösungen von Eisen(II)-sulfat bildet sich schwarze oder schwarzblaue Eisengallustinte. Direkt nach dem Schreiben erscheint die Tinte hell. Erst nach einigen Minuten färbt sie sich dunkel. Dies hängt damit zusammen, dass sich mit dem Sauerstoff der Luft ein Komplex der Eisen-Gallussäure bildet. Früher stellte man die Tinte auch einfach dadurch her, in dem man Eisenstücke oder Eisennägel in einen aufgekochten Galläpfel-Extrakt legte.
 
 
Tannin und Strukturformel der Gallussäure
   
   
 Tannin enthält als Komponenten verschiedene Glucose-Ester der Gallussäure.
 
 
Zum Herstellen einer Tinte werden Galläpfel zerkleinert, dann im Wasser aufgekocht und mit Eisen(II)-sulfat versetzt. Die Zugabe von Gummiarabikum verhindert, dass die Tinte vorzeitig zu dem schwarzen Komplex oxidiert. Dabei würde sie flockig werden und die Schreibgeräte verstopfen. Früher setzte man der Tinte noch Konservierungsmittel wie das giftige Phenol oder Salicylsäure zu, damit sich kein Schimmel bildet. Als harmloser Ersatzstoff eignet sich hierfür Vitamin C (Ascorbinsäure). Manche Eisengallustinten sind noch mit schwarzen Pigmenten wie Flammruß oder organischen Farbstoffen versetzt, damit sie schon direkt nach dem Schreiben schwarz erscheinen. Als „Tintenkiller“ für Eisengallustinte eignet sich eine verdünnte Wasserstoffperoxid-Lösung. 
 
 
Selbst hergestellte Eisengallustinte
 
Bild
                            vergrößern!
 
 Tinte aus Galläpfeln und aus synthetisch produzierter Gallussäure.
 
   
Toxikologie
Gallussäure und Tannin (Stoffgemisch aus pflanzlichen Rohstoffen) reizen die Haut und die Augen. Beim Umgang mit Stäuben und Pulvern ist zu beachten, dass diese sich nicht im Raum verteilen. Es sind Schutzbrillen zu tragen, beim Herstellen der Tinte auch Schutzhandschuhe. Stäube sind brennbar, sie können die Atemwegsorgane reizen.
   
Weitere Infos
Farbenprojekt  Tinte herstellen 
Arbeitsblatt  Herstellen von Eisengallustinte

© Thomas Seilnacht / Benutzerhandbuch / Lizenzbestimmungen / Impressum / Datenschutz / Literaturquellen