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Bleiweiß
 
Bleiweiß ist ein künstlich hergestelltes Bleipigment, das heute nicht mehr verwendet wird. Es besteht aus einem basischen Bleicarbonat mit der chemischen Formel 2PbCO3 • Pb(OH)2. Das Pigment besitzt eine hohe Deckkraft, das Aufhellungsvermögen ist ausgesprochen gut. Es trocknet sehr schnell, seine Härte ist im Gegensatz zum Titanweiß gering. Bleiweiß besitzt einen kaum sichtbaren Gelbstich, daher ergeben Mischungen mit bunten Pigmenten warme Töne. Bleiweiß ist lichtbeständig, in Öl oder Casein neigt es zum Vergilben. Mit Schwefel-Verbindungen entsteht Bleisulfid. In manchen Gegenden führte der Einfluss von Abgasen zu Schwärzungen.
  
 
Geschichte Gewinnung Toxikologie Portraits
   
Geschichte und Verwendung
Bleiweiß ist eines der ältesten, künstlich hergestellten Pigmente. Schon der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrast (371 bis 287 vor Christus) beschrieb die Herstellung und Verwendung des Psimmythium. Der römische Gelehrte Plinius (23 bis 79) nannte es cerussa. Nach diesem lateinischen Wort ist das Bleimineral Cerussit benannt. Die Araber führten Bleiweiß nach der Eroberung Persiens aus Isfahan ein. In den mittelalterlichen Sammlungen des Lucca-Manuskriptes wird ein Herstellungsverfahren beschrieben, das bereits dem holländischen Verfahren in Rotterdam um 1650 ähnlich war. Später stellte man in der kleinen österreichischen Stadt Krems und ab 1765 auch in Klagenfurt „Kremserweiß“ her. Dieses Bleiweiß war von besserer Qualität und wurde wegen seiner brillanten, weißen Farbe von Kunstmalern sehr geschätzt. Kremserweiß wurde oft auch mit Mohnöl angerieben. Das um 1839 in Eisenach erstmals angewandte Kammerverfahren ermöglichte die industrielle Produktion.  
  
In der Antike und auch im Mittelalter war Bleiweiß in Schminke zur Aufhellung der Haut enthalten. Bis ins 19. Jahrhundert galt Bleiweiß als das wichtigste Weißpigment für wasserlösliche und ölhaltige Farben. Das schon bekannte Barytweiß stellte für Ölfarben keinen Ersatz dar, da es in Öl nur wenig Deckkraft besitzt. Trotzdem waren im Handel gestreckte Produkte erhältlich. Hamburger Weiß, Holländisches Weiß oder Venezianisches Weiß enthielten unterschiedliche Anteile von Barytweiß als Beimischung. Praktisch alle Künstler bis zum 19. Jahrhundert setzten Bleiweiß ein. Es war bei den Impressionisten wie Vincent van Gogh beliebt, es lässt sich aber auch bei Gemälden von Leonardo da Vinci, Rubens, Rembrandt oder Vermeer nachweisen. 
 
  
Vincent van Gogh: Selbstportrait gewidmet Paul Gauguin (1888)


 
Beim grünen Hintergrund hellte van Gogh Schweinfurtergrün mit Bleiweiß auf.
 
  
Die hohe toxische Wirkung des Pigments war schon in der Antike bekannt. In den deutschen Fabriken der Bleiweiß-Industrie des 19. Jahrhunderts war ein hoher Anteil der Arbeiter krank. Mit der Verordnung vom 12. April 1886 schrieb die Reichsregierung zahlreiche Bestimmungen zum Arbeitsschutz vor. Sie regelte die Staub- und Gas-Emissionen, die Arbeiter mussten regelmäßig ärztlich untersucht werden, außerdem durften Frauen und Kinder in den problematischen Räumen nicht mehr arbeiten. Um 1850 erfolgte erstmals die industrielle Produktion von Zinkweiß. Dieses löste das giftige Bleipigment zunehmend ab. Das um 1938 entwickelte Verfahren nach Kroll ermöglichte die industrielle Produktion von reinem Titan und damit auch von Titanweiß. Heute ist dieses das von Künstlern am häufigsten eingesetzte Weißpigment. Bis zu seinem EU-Verbot im Jahre 1989 wurde Bleiweiß für weiße Schutzanstriche in Außenfarben und Gartenzäunen eingesetzt. Es diente als Korrosionsschutz und wirkte gleichzeitig als Fungizid und Insektizid. Zum Restaurieren von alten Gemälden und im Denkmalschutz darf es noch unter bestimmten Auflagen eingesetzt werden.
   
Gewinnung
In der Antike wurden Bleistücke oder Platten in eine Schale mit Essig gelegt und unter einem Misthaufen vergraben. Durch Fäulnisprozesse im Mist entstand Kohlenstoffdioxid, das zusammen mit den Essigdämpfen auf das Blei einwirkte.  
  
Die Qualität des Produkts war erheblich von der Reinheit der eingesetzten Bleiplatten abhängig. Nach dem holländischen Loogenverfahren wurden dünne Bleiplatten spiralförmig so aufgerollt, dass Hohlräume vorhanden blieben und sich die gerollten Platten nicht berühren. Etwa 30 Zentimeter hohe und leicht konische Töpfe mit 20 Zentimeter oberem Durchmesser, die innen zur Hälfte glasiert waren, wurden mit Essig und Bierhefe gefüllt, die Bleirollen hängte man darüber auf. Die Töpfe kamen in eine „Looge“, einem Oxidationsraum, in dem die offenen Töpfe schichtenweise aufgestellt und mit Pferdemist umgeben wurden. Nach sechs oder sieben Wochen nahm man das entstandene Bleiweiß aus den Töpfen heraus. Es wurde gemahlen, gesiebt und dann zwischen Granitsteinen unter Zugabe von Wasser fein zerrieben. Die Trocknung des feinen Pulvers erfolgte in Trockenräumen. Anstatt des Pferdemists setzte man auch Gerberlohe ein, die von den Gerbereien als Abfallprodukt bezogen werden konnte.  
  
Beim österreichischen Verfahren zur Herstellung von Kremserweiß verwendete man einen konzentrierten Weintraubenextrakt und ließ diesen vergären. Die alkoholische Gärung erzeugte das notwendige Kohlenstoffdioxid. Bei beiden Verfahren waren die Arbeiter einem hohen Berufsrisiko ausgesetzt. Vor allem beim Abklopfen des Produkts von den Bleiplatten atmeten sie die giftigen Stäube ein. 
  
Bei der industriellen Fertigung nach dem Kammerverfahren wurden die Bleiplatten in einem Raum aufgehängt und mit Wasserdampf, Essigsäuredampf und Kohlensfoffdioxid begast. Hierbei enstand das Bleiweiß relativ schnell. Mit Schutzanzügen bekleidete Arbeiter betraten den Raum und spritzten das entstande Bleiweiß von den Platten ab. Es bildete sich ein Schlamm, der sich in einem Absetzbecken sammelte. Nach dem Trocknen wurde der Schlamm fein gemahlen. 
   
Toxikologie
Bleiweiß ist reprotoxisch, es kann das Kind im Mutterleib schädigen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Es wirkt gesundheitsschädlich beim Einatmen und Verschlucken. Die akute Toxizität wird nach GHS der Kategorie 4 zugeordnet. Es gehen hohe Gefahren von einer chronischen Vergiftung aus, wenn man den Stäuben immer wieder ausgesetzt ist. Die Symptome entsprechen dann der einer Bleivergiftung. Für Wasserorganismen wirkt Bleiweiß sehr giftig. Heute darf Bleiweiß nur noch zum Restaurieren eingesetzt werden. 
  
Von alten Gemälden, in denen das Pigment chemisch stabil und mit dem Bindemittel fest eingebunden ist, dürfte kaum eine Gefahr ausgehen. Problematisch ist es vor allem dann, wenn man beim Herstellen oder Verarbeiten Stäube einatmet oder wenn das Pigment in Anstrichfarben eingesetzt wird. Dann besteht die Gefahr, dass Blei im großen Umfang in die Umwelt und somit auch in den Blutkreislauf des Menschen gelangt. Vor allem aus diesem Grund ist das Verbot gerechtfertigt.

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