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Titanweiß
 
Das Pigment Titanweiß besteht chemisch aus Titandioxid TiO2. Es wird künstlich aus Titan-Erzen hergestellt. Die Rutilform weist die bessere Qualität auf. Titanweiß ist wetter- und hitzebeständig, nicht toxisch, und die Farbstärke ist hoch. Von allen Weißpigmenten hat es das beste Deckvermögen. Es lässt sich mit allen anderen Pigmenten vermischen und dient zum Aufhellen von Farben. Es ist chemisch äußerst beständig, eine Vergilbung oder Gelbfärbung tritt selbst im Außenbereich nicht auf. Titanweiß hat eine gute Benetzbarkeit, es kann mit allen gängigen Bindemitteln vermischt werden.
  
 
Geschichte Gewinnung Toxikologie Portraits
   
Geschichte und Verwendung
Titandioxid wurde von dem Briten William Gregor (1761–1817) in Creed/Cornwall im Jahre 1791 und dem Deutschen Martin Heinrich Klaproth (1743–1817) in Berlin im Jahre 1795 unabhängig voneinander entdeckt. Das darin vermutete Element Titan benannte Klaproth nach den Titanen der griechischen Sagen, den Ursöhnen der Erde. J. Overton gelang 1870 erstmals die Herstellung eines weißen Pigments aus dem Mineral Rutil. Aber erst durch das um 1938 entwickelte Verfahren nach Kroll ermöglichte die industrielle Produktion von reinem Titan und damit auch von Titandioxid. In der Natur kommt das Titandioxid in drei verschiedenen Kristallstrukturen vor: Brookit, Anatas und Rutil. Von Bedeutung als Pigment sind jedoch nur die beiden letzteren. Große Kristalle sind in der Natur selten, als feine Pulver besitzen sie eine reine, weiße Farbe.  
   
 

Titan-Erze

 
   
Das strahlende Weiß wird durch eine vollständige Streuung des Lichtes an den Pigmentteilchen verursacht. Außerdem ist der Brechungsindex der Pigmentkristalle in Verbindung mit einem anderen Medium so günstig, dass die weiße Farbe des Titandioxids beim Vermischen mit Wasser oder einem Bindemittel nicht ermattet. Die Rutil-Form besitzt aufgrund seines günstigeren Brechungsindexes ein besseres Deckvermögen und ist daher die „weißere“ Farbe. 
     
  
Anatas-Form und Rutil-Form des Titandioxids

 
 
                 
   
 
Die Rutil-Form (rechts) besitzt ein besseres Deckvermögen als die Anatas-Form (links).
 
 
Titandioxid ist heute mit Abstand das wichtigste weiße Pigment und findet eine vielfältige Anwendung: Die Rutil-Form wird als Weißpigment in Wandfarben, Druckfarben und zur Färbung von Kunststoffen bevorzugt, die Anatas-Form wird eher in der Textilindustrie verwendet. Das weiße Pigment findet vielfache Anwendung in Lippenstiften, Cremes, Schminken und Pudern. Selbst ökologisch orientierte Firmen wie die Firma Auro verarbeiten das Pigment aus dem Chloridverfahren für umweltschonende Wandfarben. Aufgrund seiner hohen Brechzahl wird das Titandioxid auch zur Herstellung von Perlglanzpigmenten verwendet. 
   
Gewinnung
Ausgangsstoff für die Titandioxidproduktion ist das Titan-Eisenerz Ilmenit, ein schwärzlich glänzendes Mineral mit der chemischen Formel FeTiO3, welches meist mit dem magnetisierbaren Eisenerz Magnetit (Eisenoxid) und anderen Begleitmineralien als Gangart vermischt ist. Statt Ilmenit wird manchmal auch das seltenere und weniger eisenhaltige Titan-Erz Rutil TiO2 verwendet. Die Förderung des Erzes erfolgt im Tagebau, die wichtigsten Lagerstätten in Europa kommen in Norwegen in Ekersund-Soggendal), sowie in Finnland und im Ilmengebirge im südlichen Ural vor. Weitere Lagerstätten finden sich in Kanada, USA und in Australien.  
   
   
Erzaufbereitung  
   
Das Erz wird zunächst zu kleinen, etwa zwölf Millimeter großen Stücken zerbrochen und dann in ein feines Pulver zermahlen. Die im Erz enthaltenen Sulfide und vor allem auch der Magnetit werden in einem aufwändigen Verfahren abgetrennt. Das pulverisierte Mineralgemisch wird mit Hilfe einer Aufschlämmung in Wasser getrennt. Dabei schweben die Teilchen mit höherer Dichte schneller an den Boden, so dass der leichtere Ilmenit abgeschöpft werden kann. Starke Elektromagnete ziehen den Magnetit heraus. Um das Mineral vollständig von seiner Gangart zu trennen, wird es einem Flotationsprozess unterzogen: Das Pulver wird in große, mit Wasser gefüllte Becken gegeben, danach setzt man fettsäurehaltige Flotationschemikalien hinzu. Diese umhüllen die feinen Mineralteilchen mit einer sehr dünnen Schicht und machen sie schwer benetzbar. Durch das Einblasen von Luft heften sich feine Luftbläschen an die umhüllten Mineralteilchen und schwemmen diese trotz ihrer höheren Dichte als Wasser nach oben, wo sie Schaum bilden und mit einem rotierenden Rechen abgesammelt werden, während die Gangart zu Boden sinkt. Nach Abtrennung der Flotationschemikalien erhält man aus dem ursprünglich 18%igen Erz ein Ilmenit-Konzentrat mit einem Titandioxidanteil von rund 45%.  
  
 
Aufbereitung des Ilmenit-Erzes

Erz-Aufbereitung

Der Magnetit in der Gangart muss vom Ilmenit abgetrennt werden.
   

Herstellung nach dem Sulfatverfahren  
   
Das 1915 von den Norwegern F. Farup und Dr. G. Jebsen entwickelte Verfahren zur Titandioxidherstellung wird seit 1919 industriell angewandt und ist bis heute von Bedeutung. Das feingemahlene und angereicherte Titanerz wird mit konzentrierter Schwefelsäure aufgeschlossen, dabei reagiert das im Erz enthaltene Eisenoxid zu Eisensulfat, das Titanerz zu Titansulfat. Bei diesem Prozess entstehen große Mengen an Schwefeldioxid, welches mit Natronlauge aber weitgehend neutralisiert wird, so dass heute nur noch verhältnismäßig wenig Schwefeldioxid in die Umwelt gelangt. Die Abtrennung des Eisensulfats vom Titansulfat erfolgt durch Kristallisation. Aufgrund seiner besseren Wasserlöslichkeit kristallisiert das Eisensulfat zu grünem Eisen(II)-sulfat aus, so dass es abgetrennt werden kann. Durch das Kochen in großen Kesseln mit Wasser zerfällt das Titansulfat relativ leicht wieder in Titanoxidhydrat, welches nach einem aufwendigen Waschprozess in einem großen, drehbaren Rohr-Ofen bei 800 bis 1000 °C zu reinweißem Titandioxid geglüht wird.   
   
Zur Verbesserung der optischen und physikalischen Eigenschaften werden die feinen Pigment-Teilchen mit verschiedenen Substanzen und Verfahren nachbehandelt. Es findet erneutes Waschen, Mahlen oder Aufdampfen einer Schicht auf die Pigment-Teilchen statt.  
  
  
Herstellung nach dem Chloridverfahren  
   
Angereichertes Titanerz oder Rutil wird mit Koks vermischt und in einem besonders chlorbeständigen Wirbelschichtofen bei etwa 1000 °C mit Chlorgas vermischt. Dabei reagiert das Chlor mit dem Titanoxid des Erzes und dem eingebrachten Kohlenstoff zu gasförmigem Titantetrachlorid und Kohlenstoffdioxid:  
  
Titandioxid  +  Kohlenstoff  +  Chlor reagiert zu  Titantetrachlorid  +  Kohlendioxid
TiO2  +  C  + 2 Cl2 reagiert zu   TiCl4  +  CO2   

Bei der Chlorierung entstehendes Eisen(II)-chlorid wird in Wasser gelöst und abgetrennt. Gleichzeitig entsteht als Folge der Reaktion des Chlors mit der in der Schlacke enthaltenen Restfeuchtigkeit Salzsäure, die ausgewaschen wird und als Rohprodukt verkauft werden kann. Danach kondensiert man das gasförmige Titanchlorid zu einem Feststoff und unterzieht diesen einer nochmaligen Reinigung von Fremdstoffen durch Destillation. Nach erneutem Kondensieren erhält man reines Titanchlorid, das der nächsten Verarbeitungsstufe zugeführt werden kann. Das reine Titandioxid erhält man durch Erhitzen des Titanchlorids auf hohe Temperaturen und einer Zugabe von reinem Sauerstoff:

Titantetrachlorid  +  Sauerstoff reagiert zu  Titandioxid  +  Chlor
TiCl4  +  O2 reagiert zu  TiO2  +  2Cl2
   
   
Dabei oxidiert das Titanchlorid zu Titandioxid, wobei wieder reines Chlor frei wird, welches in den Reaktionsprozess zurückgeführt wird.  
  
  
Vergleich der beiden Verfahren zur Titandioxidherstellung

Sulfatverfahren Chloridverfahren

 
     

Vergleich der beiden Verfahren unter ökologischen Gesichtspunkten  
   
Das Sulfatverfahren war in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen oft in der umweltpolitischen Diskussion, da dabei eine erhebliche Menge an Rückständen anfiel: Beim Aufschluss des Titan-Eisenerzes mit Schwefelsäure entstehen große Mengen an schwefelsäurehaltigen Rückständen, die auch als Dünnsäure bezeichnet werden. Pro Tonne produziertem Titandioxid nach dem Sulfatverfahren fallen etwa sechs bis acht Tonnen Dünnsäure mit einer Schwefelsäurekonzentration von 20 bis 22 Prozent an. Die Dünnsäure kann aufgrund ihres niedrigen Schwefelsäuregehalts nicht mehr verarbeitet werden. In den 1950er-Jahren wurde sie in die Flüsse geleitet und ab 1964 mit Schiffen in der Nordsee verklappt. Die Dünnsäure ist meist mit Schwermetallsalzen wie Blei- oder Chromsalzen verunreinigt. Der Cocktail stand im Verdacht, bei Fischen Flossenfäule oder Geschwülste zu verursachen.  
   
Das Ende der Dünnsäureverklappung in der Nordsee wurde nach jahrelangen Verhandlungen und Aktionen durch Einzelpersonen und Umweltschutzorganisationen gesetzlich durchgesetzt. Seit 1990 sind die Titandioxidhersteller verpflichtet, Dünnsäure aufzubereiten. Das Aufbereitungsverfahren wurde bereits 1958 von der Bayer AG entwickelt und wird heute bei den meisten Titandioxidherstellern angewandt. In einem relativ energieaufwändigen Prozesswerden der Säuregehalt erhöht und Metallsalze wie Eisensulfat auskristallisiert. Die dabei entstehende höher konzentrierte Schwefelsäure kann wieder in das Verfahren zurückgeführt werden. Das Eisensulfat findet als sogenanntes Grünsalz bei der Abwasseraufbereitung Verwendung. Es kann die durch Düngemittel und Waschmittel im Abwasser vorhandenen Phosphatsalze zu wasserunlöslichem Eisenphosphat umwandeln, welche mit den üblichen Trennungsmethoden in den Kläranlagen dann aus dem Wasser herausgeholt werden. Die bei der Titandioxidproduktion anfallenden Eisenoxide werden zum Teil weiterverwertet oder gelagert.  
   
Der wesentliche Vorteil des Chloridverfahrens besteht darin, dass kein Schwefeldioxid und keine Dünnsäure anfallen, da das freiwerdende Chlor wieder in den Chlorierungsprozess zurückgeführt wird. Der Reaktionsofen für die Chlorierung besitzt jedoch nur eine Lebensdauer von etwa einem Jahr, danach muss er in dreimonatiger Arbeit erneuert werden. Außerdem können Pigmente mit Anatas-Struktur nach dem Chloridverfahren nicht erzeugt werden. Pigmente aus dem Chloridverfahren mit der Rutil-Struktur können aufgrund ihrer größeren Härte nicht in der Textilindustrie eingesetzt werden, da sie beim Spinnen der Stofffaser die Spinnmaschine zerstören würden. Die Rutil-Form besitzt allerdings eine höhere Deckkraft als die Anatas-Form und gilt als abriebbeständiger. Aus diesem Grunde besitzen heute beide Verfahren etwa den gleichen Stellenwert auf dem Weltmarkt.  


Entwicklung der Produktionsverfahren
    
   
Die Grafik zeigt die Entwicklung des Anteils der verschiedenen Herstellungsverfahren bei Kronos-Titan zwischen 1985 und 1994. Umweltfreundliche Produktionswege spielten zunehmend eine Rolle. Durch das Verbot der Dünnsäureverklappung in der Nordsee wurde das Sulfatverfahren ohne die Aufbereitung der Dünnsäure ganz eingestellt. Heute liegt die Weltproduktion für Titandioxid bei über vier Millionen Tonnen. 1930 waren es noch 20000 Tonnen. 
   
Toxikologie
Pigmentstäube dürfen grundsätzlich nicht eingeatmet werden. Pulverförmiges Titandioxid mit einem Anteil von mindestens 1% Partikel mit aerodynamischem Durchmesser kleiner als 10 µm muss seit dem Jahr 2020 nach GHS mit H351 (Kann vermutlich Krebs verursachen) gekennzeichnet werden. Die Gefahr besteht beim Einatmen der Partikel in die Lunge.

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