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Über das Lasieren von Wand- und Deckenflächen mit Pflanzenfarben
von Dr. Hermann Fischer - aus der AURO-Mitteilung Nr. 15
  
Kulturelle Bedeutung  
Untergrund:  a) Allgemeines   b) Zusammensetzung und Eigenschaften   c) Untergrundvorbereitung  
Pflanzen-Lasurfarbe:  a) Farbstoffe   b) Pigmentbildung   c) Bindemittel  
Wirkung:  a) Physikalisches   b) Organologisches  
   
  
Kulturelle Bedeutung  
   
"Zeige mir, wie Du Deine Wände behandelst, und ich sage Dir, wer Du bist". Wenig anderes sagt über den Entwicklungsstand einer Kultur so viel aus wie Material und Gestaltung der raumschließenden Flächen.  

Es wundert also nicht, wenn Kälte, Hektik, Gewaltsamkeit, Monotonie, Isoliertheit und Ausdruckslosigkeit von unseren "modernen" Wänden ausstrahlen. Die Unwirtlichkeit unserer Wohnungen wird von unseren Wandoberflächen als materialisierten Kulturphänomenen entscheidend verursacht. Sie wirkt darüber hinaus auf uns als leib-seelische Verstärkung und Zementierung dieser Tendenzen zurück.  
   
Wandlasur-Pflanzenfarben sind in diesem Sinne ein Ausdruck des Strebens nach einer neuen Wahrnehmungskultur und nach Wohngesundheit für den Menschen als Ganzheit. Im Hinblick auf die genannten Phänomene sind sie "antizyklisch", indem sie Verlebendigung, Souveränität, Harmonie, Gestaltreichtum und Verbindlichkeit in unsere unmittelbare Umgebung tragen und so auf dem Weg über die Wahrnehmung des Bewohners zur Auflösung von kulturellen Verhärtungstendenzen beitragen.  
   
  

 Mit Naturfarbe gestrichene Wände
 
 
 
 
Nutzungsrecht des Fotos mit freundlicher Genehmigung der AURO
 
  
Farben dieser Art erfordern im Unterschied zu den herkömmlichen Materialien mehr als die gleichgültig-unbeteiligte Beachtung von anstrichtechnischen Vorschriften. Sie erwarten ein besonderes Bemühen um Material, Technik und Gestaltung. Ihre Lebendigkeit hängt im Wortsinne auch davon ab, wie sie erlebt werden. Die vorliegende Mitteilung will zu einer solchen besseren Kenntnis beitragen. Sie kann die eigene handwerklich-künstlerische Erfahrung im Umgang mit diesen Naturprodukten jedoch niemals ersetzen.  
   
   
Untergrund  

a) Allgemeines  
   
Zur lasierenden Verarbeitung von Pflanzenfarbpigmenten bedarf es eines besonderen Untergrundes, der die speziellen Eigenschaften und Bedürfnisse der Pigmente und des Lasur-Bindemittels berücksichtigt. Die Untergrundvorbereitung bestimmt daher wesentlich die Qualität und Haltbarkeit der nachfolgenden, eigentlichen Farbgestaltung.  
   
In der Auswahl eines sehr hochwertigen Untergrundmaterials und dessen sorgfältiger Verarbeitung knüpft die Pflanzenfarben-Lasurtechnik an die handwerklich-künstlerisch hochstehenden Traditionen der Malkunst im Ausgang des Mittelalters und dem Beginn der Neuzeit an (z.B. in der Sieneser Schule), bei denen die geduldige Präparierung des Malgrundes nahezu kultischen Charakter hatte. Die AURO-Natur-Caseinfarbe erleichtert als anwendungsfertiges, prolemlos verarbeitbares Produkt diese Arbeit ganz wesentlich; allerdings empfiehlt es sich auch hier, den mit diesem Produkt hergestellten Untergrund nach der Fertigstellung einige Tage "reifen" zu lassen.  
   
b) Zusammensetzung und Eigenschaften  
   
Die Zusammensetzung der AURO Caseinfarbe ist ganz auf deren Trägerfunktion für eine nachfolgende Pflanzenfarben-Lasur abgestellt. Folgende Eigenschaften müssen gewährleistet sein: Vollkommene chemische Neutralität, Waschbeständigkeit, gutes Deckvermögen, sehr hoher Weißgrad, sehr hohes optisches Reflexionsvermögen; definierte, mittlere Werte für Mikro-Rauhigkeit, Saugvermögen der Oberfläche und Glanzgrad, hohes Dampfdiffusionsvermögen, möglichst gute Benetzbarkeit bei geringer Oberflächenspannung. Jeder Inhaltsstoff trägt auf seine Weise zum Erreichen dieser Anforderung bei. Dies soll hier an einigen Beispielen von Inhaltsstoffen der AURO Natur-Caseinfarbe näher erläutert werden:  
   
Pigmente  
   
Als Weißpigment wird ausschließlich das Mineral Rutil (Titandioxid, hergestellt nach Verfahren mit Dünnsäure-Recycling) in extrem feinkristalliner, sehr reiner Form verwendet. Rutil ist äußerst schwerlöslich, chemisch völlig neutral und besitzt eine sehr hohe Brechkraft für Licht. Seine chemische Verwandtschaft zur Tonerde (ebenfalls ein Leichtmetall-Oxid) sowie das Verhältnis der Brechungs-Indizes beider Oxide bewirken ein ideales Zusammenspiel zwischen Rutil als Weißpigment und Tonerde als Substrat der Pflanzenfarben-Pigmente: Während das Rutil den Untergrund ganz auf die Reflektion des einfallenden Lichts hinsteigert, ist die Tonerde mit ihrer Transparenz ganz auf Lichtdurchlässigkeit und -tingierung ausgerichtet (s. unten). Es kommen weder schwermetallhaltige (Bleiweiß, Zinkweiß) noch potentiell alkalische Pigmente (Kreide, Calcit) oder gar Verschnittmittel (Schwerspat) zum Einsatz.  
   
Füllstoffe  
   
Durch die Verwendung nur eines Weißträgers wird die sorgsame Auswahl der begleitenden natürlichen Füllstoffe besonders bedeutsam. Hier kommen in der Caseinfarbe reine Buchenholzzellulose mit bestimmter Fasergestalt und -größe, hochfeines und sehr weißes Talkum in Arzneibuchqualität (asbestfrei) sowie spezielle, quellfähige, feinstgemahlene Tonmineralien zum Einsatz. Sie geben der Oberfläche gerade jenes mittlere Maß zwischen zu hoher Glätte und zu großer Rauhigkeit, zwischen Dichtheit und Saugvermögen, das für die anschließende Lasur optimal ist. Auch alle Füllstoffe sind natürlich chemisch vollkommen neutral und wasserunlöslich.  
   
Bindemittel  
   
Das Bindemittel der Natur-Caseinfarbe hat die Aufgabe, die Teilchen des Weißpigmentes und der Füllstoffe am Untergrund und untereinander fest, d.h. waschbeständig, zu verkleben. Die Hauptaufgabe dabei übernimmt, wie der Name schon sagt, Casein, also Milcheiweiß. Wir setzen dafür nur Caseinsorten ein, die nachweislich schonend und ohne Denaturierung gewonnen werden.  
   
Casein als alleiniges Bindemittel gäbe zwar eine hervorragend waschbeständige Weißfarbe, die jedoch eine viel zu hohe Spannung hätte. Man kann diese "spannende" Eigenschaft von Eiweiß selbst erleben, wenn man etwas frisches Hühnerei-Eiweiß dünn auf den Handrücken aufträgt: Beim Trocknen zieht sich die Haut durch den schrumpfenden Eiweißfilm zusammen. In der Praxis hieße das: die Tapete, auf die ich gewöhnlich die Caseinfarbe auftrage, käme unweigerlich an den Nähten hoch.  
   
Ein weiterer Nachteil von reinem Casein als Bindemittel wäre die zu glatte, zu wenig "klebrige" Oberfläche des Caseinfarben-Anstrichs - ungünstig für die Haftfestigkeit der folgenden Lasurschichten. Um die Oberfläche griffiger und gleichzeitg spannungsärmer zu machen, wird als weiteres Bindemittel reines, ungebleichtes Bienenwachs norddeutscher Provenienz eingesetzt. Streng genommen haben wir es deswegen nicht mehr mit einer reinen Caseinfarbe zu tun, sondern im maltechnischen Sinne mit einer Eiweiß-Wachs-Tempera, die es in ähnlicher Form auch in früheren Zeiten schon gegeben hat.  
   
Die Aufgaben des Bienenwaches werden ergänzt durch die Beigabe ausgewählter, wertvoller Laub- und Nadelbaumharze und trocknender Pflanzenöle in Form einer Harzöl-Emulsion. Auf diese Weise wird die Rezeptur eigentlich zu einer Casein/Wachs-Harz-Öl-Tempera.  
   
Die pflanzlichen Edelharze verbessern quasi als "Nebeneffekt" noch wegen der in ihnen enthaltenen etherischen Öle die Haltbarkeit der fertigen Farbe so weitgehend, dass sich die Beigabe von Konservierungsmitteln erübrigt. Nach dem gleichen Prinzip wurden übrigens in Äygypten schon vor 3.000 Jahren Mumien konserviert: Man spricht regelrecht von "Einbalsamieren" (Balsam = das rohe Baumharz, das z.B. bei Verletzungen austritt und auch dort eine "konservierende" fäulnishemmende Wirkung im Sinne einer "neuen Haut" anstelle der Rinde entfaltet).  
   
Nun ist auch die Notwendigkeit des mehrtägigen "Reifenlassens" der Caseinfarbe verständlich: es dauert eben eine gewisse Zeit, bis das Casein, im "kalten Fluss" aus der Emulsion wiederentstehend, ausreichend "verhornt" ist.  
   
c) Untergrundvorbereitung  
   
Für die Pflanzenfarben als organische Materialien ist ebenfalls organischer Untergrund ideal. Die beschriebene Caseinfarbe stellt einen solchen Untergrund dar. Dennoch ist es möglich, dass z.B. aus frischem Putz alkalische Stoffe die Caseinfarbe durchwandern und die Pflanzenfarben angreifen. Im Zweifelsfall ist es daher immer angezeigt, ein rein organisches Medium zwischen die Wand und den Caseingrund zu bringen.  
   
Am einfachsten und preiswertesten geschieht das durch Tapezieren der Wand bzw. Decke mit einer Rauhfasertapete mittlerer Körnigkeit. Aus Gründen der Spannungsarmut ist hier einer echten Einschicht-Rauhfaser (QUEGA) den Vorzug zu geben, die zudem noch ohne synthetische Stoffe geleimt ist. Auch ein einfaches Makulaturpapier kann diesen Dienst erfüllen. In der Regel genügt für das Verkleben dieser Tapeten der einfache Zellulosekleister (AURO Nr. 389), jedoch sollte sorgsam auf ausreichende Kleisterbeschichtung besonders im Nahtbereich geachtet werden. Eine Verbesserung der Klebeeigenschaften lässt sich erzielen, wenn man in den fertig angesetzten Zellulosekleister noch ca. 10% AURO Korkkleber (Nr. 381) gleichmäßig einrührt.  
   
Die Tapete muss vor der Weiterarbeit gut austrocknen. Durch eine zu rasche Beschichtung würde man das Ausdampfen der Restfeuchte nur verzögern und den gewonnenen Zeitvorteil durch eine merkliche Verlängerung der "Reifungszeit" der Caseinfarbe mehr als aufzehren.  
   
Die Caseinfarbe selbst wird nach dem Trocknen der Tapete zwei- bis dreimal nach Maßgabe der anwendungstechnischen Empfehlungen aufgetragen, am einfachsten mit dem Lammfellroller.  
   
   
Pflanzen-Lasurfarbe  
   
a) Farbstoffe  
   
Nahezu alle Pflanzen enthalten in irgendeiner Form farbige Substanzen. Darüberhinaus sind diese Farbstoffe in aller Regel in mehr als einem Pflanzenteil (Wurzel, Stengel, Blatt, Blüte, Frucht) enthalten, wenn auch meist in einem bestimmten Teil in besonders hoher Konzentration (z.B. Alizarin in der Wurzel der Krapppflanze, rubia tinctoria).  
   
Die Farbstoffe sind in der Pflanze zumeist in irgendeiner Form gebunden und stehen daher zum Malen nicht unmittelbar zur Verfügung. Die Kunst des Pflanzenchemikers besteht nun darin, den Farbstoff in aufeinanderfolgenden Schritten zunächst aus seiner Gebundenheit zu lösen, dann aber schließlich wieder neu zu binden. (Die Alchemisten sprachen von "solve et coagula"  = löse und binde!).  
   
Dies hat folgenden Grund. Die aus der Pflanze (mit Hilfe von Wasser und Salzen) extrahierten Farbstoffe bleiben im Extraktionsmittel völlig gelöst. Sie befinden sich nach der Extraktion also im Zustand einer Tinte ("Tinktur"). Mit einer Tinte kann man zwar färben ("tingieren"), aber niemals schichtend lasieren. Wo kein physisches Farbkorn ist, sondern nur gelöste Farbsubstanz (Moleküle), kann man keine übereinanderliegenden Schichten bilden; Tinten fließen in- und durcheinander. Der Name "Lasur" kommt ja vom (blauen) "Lasurstein", dem Lapislazuli, d.h. natürlichem Ultramarin. Das ist ein wasserlösliches, farbiges Mineral, in feingeriebenen Zustand ein blaues Pigment mit wunderbar lasierenden (durchscheinenlassenden) Eigenschaften.  
   
Oft sind Farbpigmente so extrem fein vermahlen (heute auf Farbreibmühlen, früher auf dem Reibstein), dass sie, in Wasser aufgeschlämmt, von einer Tinte kaum zu unterscheiden sind. Eine einfache Unterscheidungsmöglichkeit besteht darin, die farbige Lösung durch ein feinporiges Filtertuch oder -papier zu gießen: Pigmente werden zurückgehalten, Tinten laufen ungehindert durch.  
   
Die Gewinnung der Tinktur ist bei allen Pflanzenfarbtönen unterschiedlich. Der Prozess kann so einfach sein wie das Kochen von Tee (z.B. bei Reseda), er kann aber auch sehr komplizierte Aufbereitungsschritte, etwa langwierige Fermentationen (z.B. bei Krapp) erfordern.  
   
Alle Parameter können Ton, Ausbeute und Qualität der späteren Pflanzenfarbe beeinflussen: bei welcher Temperatur extrahiert wird, wie lange, ob mit oder ohne Rühren, bei welchem pH-Wert, mit welchen Salzzusätzen in welchen Konzentrationen, ob heiß oder nach Abkühlen filtriert wird, usw.. Alle diese Verfahrensschritte bedürfen großer Erfahrung und Aufmerksamkeit, nicht alle Einflussfaktoren lassen sich mit Geräten messen; jeder Pflanzenjahrgang hat seinen eigenen Charakter, auf den man mit viel Fingerspitzengefühl reagieren muss. Die Erforschung und Entwicklung dieser Prozesse steht nach wie vor noch ganz am Anfang.  
   
b) Pigmentbildung  
   
Zum Schritt des "Lösens", d.h. zur Bildung der Tinktur, muss der Pflanzenchemiker den Farbstoff in der Regel etwas "aus dem Gleichgewicht bringen". Die Extraktionslösungen sind daher meist leicht sauer oder leicht alkalisch.  
   
Die Gewinnung des Pigmentkorns ist daher immer auch ein Schritt der Rückführung aus diesem Extrem in die (chemisch-physikalische) Mitte, ein Schritt der "Neutralisierung". Dies Wiedergewinnen der "Mitte" wird beim entsprechenden Prozess konkret sinnlich erlebbar. Aus der durchscheinenden Tinktur, die oft noch eine wenig klare, fluoreszierende Farbigkeit besitzt, ersteht bei fortschreitender Neutralisierung unter starker Farbauflichtung und -verstärkung zunächst eine leichte, milchige Trübung, bis unter immerwährender Steigerung der Farbqualität das feinste farbige Pigment entsteht, zunächst noch ganz wolkig-gallertig, dann langsam am Boden des Gefäßes absetzend. Damit ist das erneute "Binden" nach dem "Lösen" bewerkstelligt.  
   
Welcher Art ist nun dieses Pigment? Es entsteht dadurch, dass entweder in der Tinktur selbst oder im Neutralisationsmittel ein Salz des Aluminiums anwesend ist. Bei der Neutralisation bildet sich infolgedessen gleichzeitig in feinen Kristallen der mineralische Stoff "Tonerde" (chemisch: Aluminium-Hydroxid).  
   
   

Verfahrensschritte bei der Herstellung der Wandlasur-Pflanzenfarbe
 
Grafik: Thomas Seilnacht, mit freundlicher Genehmigung der Nutzung einer Vorlage
 
 
Tonerde also ist der Träger, an den der pflanzliche Farbstoff gebunden ist. Tonerde bringt für diese Aufgabe einer selbstlosen Trägerschaft ideale Voraussetzungen mit. Sie ist absolut farblos, vollkommen transparent und chemisch völlig neutral. Diese chemische Neutralität ist jedoch nicht einfach starr fixiert, sondern sowohl in Richtung des Basischen als auch in Richtung des Sauren offen (Tonerde ist "amphoter") und damit als Träger für alle Farbstoffe geeignet, gleichgültig, ob diese selbst eine saure oder alkalische Tendenz besitzen.  
   
Zusammen mit seinem extrem hohen Wasserbindevermögen ist die tragende Tonerde eigentlich das denkbar beste "Medium" für die "Botschaft Pflanzenfarbe", da sie sich selbst aller Eigentendenzen enthält und sich so ganz dem jeweil gebundenen Farbstoff hingeben kann.  
   
Es ist aufschlussreich, dass sich mit diesem Phänomen der Trägerschaft pflanzlicher (Farb-)substanz durch die Tonerde der Kreis wieder schließt: Auch die Pflanze, der wir den Farbstoff entzogen haben, war einmal getragen von der Tonerde, die bekanntlich den wesentlichen mineralischen Bestandteil des Humus darstellt. Tonerde zeigt damit geologisch, physikalisch und chemisch die Signatur der aus den Extremen zur Ruhe gekommenen Mitte, die wirklich etwas zu "tragen" imstande ist.  
   
Physikalisch gesehen befindet sich der pflanzliche Farbstoff in adsorbierter Form als äußerst dünner Film auf den Oberflächen der Tonerde-Kristalle. Tonerde und Film sind völlig durchsichtig, so dass der Charakter eines farbigen, transparenten Kristalls entsteht. Es ist eine merkwürdige Analogie darin zu sehen, dass viele der uns bekannten Edelsteine, die uns mit ihrer farbigen Durchsichtigkeit erfreuen, aus "Tonerde" (Aluminium-Oxid) bestehen! Die Farbigkeit stammt dabei jedoch von Spuren von bestimmten Metallen, die in dem Tonerde-Kristall eingebettet sind (z.B. Rubin, Saphir, Smaragd). So ist es eigentlich nicht übertrieben zu sagen, dass wir mit dem Pflanzenfarben-Pigment eigentlich eine Art "organischen Edelstein" vor uns haben, vielleicht ein Modell für noch ganz andere Aufgaben, An-Organisches einmal wieder ins Organische zu verwandeln.  
   
c) Bindemittel  
   
Würde man nun das mit den oben geschilderten Methoden gewonnene Farbpigment einfach auf den Caseingrund auftragen, so würde es nach dem Abdunsten des Wassers einfach von der Wand heruntergewischt werden können. Erst das geeignete Bindemittel verleiht der Farbe die Lasurfähigkeit, indem es die Pigmente jeder einzelnen Farbschicht unlösbar untereinander und an der jeweils darunterliegenden Schicht bindet. Gleichzeitig sollte es jedoch möglichst wenig Eigenfarbe besitzen, damit die Pigmentfarbe nicht verfälscht wird. Der Brechungsindex des Bindemittels sollte dem Brechungsindex des Lasurpigmentes möglichst ähnlich sein, damit diese beiden gegenüber dem ein- und ausfallenden Licht als eine optische Einheit, als homogener, in sich nicht reflektierender farbiger Film wirkt.  
   
   
  Vorgänge bei der Trocknung der Lasurfarbe
 
 
 
 
 
 
Grafik: Thomas Seilnacht
 
 
Das Bindemittel in der AURO Wandlasur-Pflanzenfarbe erfüllt diese Anforderungen. Es tritt auch in Gestalt einer Emulsion aus Wasser, Pflanzenschleimen, Harzen, Wachsen und Ölen. Aus diesem Grund ist die Lasurfarbe vor der Verarbeitung an der Wand auch ziemlich milchig und unscheinbar; erst auf dem Untergrund "bricht" diese Emulsion und setzt die transparenten Bindemittel und Pigmente frei. Bei dieser Freisetzung wird jedes einzelne Pigmentkörnchen (so fein, dass man es mit dem bloßen Auge nicht erkennt) vollkommen von Bindemittel "eingekleidet" und dadurch auch geschützt.  
   
   
Wirkung  
   
a) Physikalisches  
   
Eine mit Pflanzenfarben lasierte Wand macht auf den unbefangenen Betrachter einen eigentümlichen Eindruck. Mancher empfindet es, als ob die Farbe ein paar Zentimeter von der Wand stände. Die bewegte Lebendigkeit wird von vielen zunächst fast schockhaft empfunden, so sehr haben wir uns schon an die toten Flächen unserer Umgebung gewöhnt.  
   
Der wichtigste physikalische Grund für diese Empfindung liegt darin, dass die Wandlasur-Pflanzenfarben sich völlig anders zum Licht verhalten als die herkömmlichen, deckenden Anstriche und Beschichtungen:  
   
   
  Unterschiede in der Lichtwirkung
 
 
 
 
 
 
Grafik: Thomas Seilnacht
  
    
Während am deckenden Anstrich alles einfallende Licht unmittelbar von der Farboberfläche reflektiert wird, geht dieses Licht durch die Lasur zunächst hindurch bis zum weißen Untergrund, wird erst dort reflektiert und gelangt dann nach nochmaligem Durchlaufen der Lasurschicht "von unten her" in unser Auge. Ähnlich würde sich ein farbiges Glas verhalten, das auf einem Spiegel liegt. Während im ersten Fall die Begegnung des Lichtes mit dem Farbpigment im Wortsinne ganz "oberflächlich" bleibt, wird dieses Licht von der gesamten Lasurschicht "tingiert".  
   
b) Organologisches  
   
Pflanzenfarben sind keine reinen Stoffe. Neben dem Haupt-Farbstoff wirken hunderte von Begleitfarben, oft ganz aus dem Komplementären, auf uns. Dieses Fehlen jeder Einseitigkeit erklärt viel von der so wohltuenden Harmonie und Ausgeglichenheit der Pflanzenfarben, sowohl in der Wirkung auf uns, als auch in der Beziehung der Einzelfarben untereinander. - Es wundert daher nicht, wenn Wandlasur-Pflanzenfarben zunehmend auch in der Therapie von Krankheiten eingesetzt werden. Sicherlich stehen wir hier noch am Anfang der Entwicklung, aber der Anfang ist vielversprechend.  
 
 
Copyright: Hermann Fischer