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Lernen an Demonstrationen
Thomas Seilnacht
 
 
 
Was hier kurz als „Demonstration“ bezeichnet wird, kennzeichnet einen Vorführversuch, bei dem ein bestimmter Effekt oder eine bestimmte Wirkung demonstriert werden soll [1]. Die Demonstrationen können unter bestimmten Ausgangsfragen betrachtet werden. Das Experiment führt dann vielleicht zu neuen Erkenntnissen. Die zu erwartenden Effekte stehen in der Regel fest, da die Vorführperson den Versuch schon im Vorfeld ausprobiert hat. Dies ist insbesondere aufgrund möglicher Gefahren unbedingt notwendig. Die Sicherheitsvorkehrungen müssen so durchdacht werden, dass niemand beim Schiefgehen des Experiments einen Schaden davon trägt. Der Brandschutz muss gewährleistet sein. Der Abstand aller Beteiligten muss kalkuliert werden, die Zuschauer tragen - wie auch die Lehrkraft - generell immer Schutzbrillen.

Der häufigste Fehler, der bei der Vorführung von Demonstrationen gemacht wird, ist das Kommentieren oder sogar das Vorwegnehmen von Beobachtungen durch die Lehrkraft. Tritt ein Phänomen auf, dann spricht dieses für sich selbst. Sie kann auf Details hinweisen und beispielsweise sagen: „Beobachtet bitte mal diesen Aspekt oder betrachtet diesen Stoff genau!“ Sie sagt niemals: „Hier sieht man, dass... oder ihr habt gesehen, wie...“ Erkenntnisse müssen immer durch das Experimentieren und die Diskussion darüber erarbeitet werden, niemals werden sie vorweggenommen. Eine didaktisch sinnvolle Vorgehensweise lässt die Schülerinnen und Schüler das Gesehene beschreiben und daraus eigene Fragestellungen oder Vermutungen entwickeln.

Für ein gutes Gelingen der Demonstrationen werden die Zuschauer mit einbezogen. Der Einbezug erfolgt entweder indirekt oder direkt. Auf das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler wird Bezug genommen. Orientiert sich ein Effekt zunächst an der bekannten Lebenswelt der Zuschauer oder gelingt es, Assoziationen zu wecken, dann wird der Effekt als Phänomen emotional wahrgenommen, das es später dann rational zu ergründen gilt. Damit orientiert sich dieser Ansatz an der Phänomenologie [2]. Beim direkten Einbezug übernehmen die Teilnehmer bestimmte Arbeitsaufgaben.

Beispiel: Bei der Vorführung der „Fettexplosion“ erzählt die vorführende Person folgende Geschichte: „Stellt euch vor, ich war neulich für eine Woche alleine zu Hause und musste mir selbst kochen. Am Montag mittag hatte ich Hunger und beschloss, mir ein Schnitzel zu braten. Ich gab in eine Bratpfanne etwas Fett und schaltete die Herdplatte ein. Nach einer Weile läutete das Telefon im Wohnzimmer und ich verließ die Küche. Dabei vergaß ich völlig das heiße Fett auf dem Herd. Als ich in die Küche zurückkehrte, brannte das Fett in der Pfanne lichterloh. Ich füllte einen Becher mit Wasser und wollte damit den Brand in der Pfanne löschen...“
 
Natürlich wird die erzählende Person diese Geschichte noch etwas ausschmücken. Die Geschichte in Verbindung mit dem vorgeführten Effekt reizt die Beobachter zunächst emotional und erzeugt dann Interesse, sich mit den Wirkungszusammenhängen des Geschehens weiter zu beschäftigen. Diese Vorgehensweise ist eine wichtige Regel der Lernpsychologie [3].

Zum guten Gelingen der Demonstration tragen einige weitere Regeln bei:

  • Sie sollte einen deutlich sichtbaren Effekt zeigen. Zur Verbesserung der Beobachtbarkeit wird man nicht zu kleine Stoffmengen und Geräte einsetzen. Trotzdem ist das Gesetz der Sparsamkeit einzuhalten. Reaktionen, bei denen gefährliche Gifte für die Zuschauer oder die Umwelt frei werden, sind zu vermeiden.
  • Alle Beobachter sollten sich etwa im gleichen Abstand zum beobachtbaren Effekt aufhalten. In Fachräumen empfiehlt sich, die Schüler beispielsweise hinter der ersten Stuhlreihe aufzubauen (Sicherheitsabstand einhalten lassen!). Dies kann im Unterricht zu einem festen Ritual werden. Durch Rituale wird eine höhere Aufmerksamkeit erreicht.
  • Die Demonstration kann durch Medien unterstützt werden. Eine Videokamera oder eine digitale Schwanenhalskamera kann den Effekt verstärken oder aufnehmen. Auch digitale Fotografien sind hilfreich. Auf diese Weise kann ein Effekt auch mehrfach vorgeführt oder unter einem vergrößerten Blickwinkel betrachtet werden.
  • Der Hintergrund und die Raumbeleuchtung spielt eine entscheidende Rolle. Ein Versuch wie die Fettexplosion erfordert eher einen leicht abgedunkelten Raum mit dunklem Hintergrund, während farbige Fällungsreaktionen helles, weißes Licht mit hellem Hintergrund benötigen.
  • Der Geräteaufbau sollte so einfach wie möglich erfolgen. Dabei ist es günstig, wenn die Zuschauer den Aufbau und das Zusammenstellen der Geräte mit erleben können. Der Aufbau erfolgt von links nach rechts. Glasgeräte werden möglichst in gleicher Höhe aufgestellt und mit gerade durchlaufenden Rohren oder Schläuchen miteinander verbunden (weitere Regeln bei [4]).
Der didaktische Ort einer Demonstration ist vielfältig. Beim Einstieg in ein Thema eignet sich in besonderem Maße die Vorführung eines Phänomens, das zum Staunen anregt (siehe oben). Eine Demonstration kann auch einen Sachverhalt erarbeiten, zum Beispiel nach dem forschend-entwickelnden Unterrichtsverfahren bei den Versuchen mit Wasserstoffoxid. Variationen verdeutlichen in besonderem Maße die Abhängigkeit der Reaktion von den Ausgangsbedingungen oder bestätigen geäußerte Vermutungen, zum Beispiel bei den Versuchen mit den Alkalimetallen. Der „Wunderversuch“ regt die Fantasie an und stellt eine Demonstration dar, die nicht oder nur unvollständig erklärt werden kann, zum Beispiel bei den Versuchen zur Lumineszenz. Er sollte gelegentlich eingesetzt werden um zu zeigen, dass noch Rätselhaftes in der Natur existiert. In einer Demonstration zur Übung oder Wiederholung sollen die Schülerinnen und Schüler versuchen, bisher Gelerntes anzuwenden und den Effekt zu erklären.

Die Demonstration kann als erfolgreich angesehen werden, wenn sie bei den Zuschauern einen nachhaltigen Eindruck erzeugt. Beispiele:

  • Der Besucher einer öffentlichen Vorführung der Universität beschließt danach, Chemie zu studieren.
  • Ein Schüler wird durch den Unterricht angeregt, eigene Experimente unter Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen zusammen mit seinem Vater zu Hause durchzuführen.
  • Eine Schülerin erinnert sich viele Jahre nach ihrem Chemieunterricht beim Erhitzen von Fett in einer Pfanne an ihre Schulzeit und nimmt sich vor, die Küche dabei nicht zu verlassen.
Demonstrationen können durch gezielte Aufgabenstellungen an die Schüler didaktisch begleitet werden. Ein eigener Erlebnisbericht (mit Zeichnungen und Interpretationen) verfestigt das Wissen ebenso wie das Nacharbeiten und Nachvollziehen des Unterrichtsgeschehens unter Verwendung dieser Internetseite.
 

Literatur

[1]  Thomas Seilnacht: Naturwissenschaftliches Arbeiten, Bern 2004 und
T. Seilnacht, Naturwissenschaften unterrichten, kompetenzorientiertes Lehren und Lernen - Band 2, Sekundarstufe, Seilnacht Verlag & Atelier, Bern 2016

[2]  Helmut Seiffert: Einführung in die Wissenschaftstheorie 2, München 1996
[3]  Hildegard Macha: Emotionale Erziehung, Frankfurt am Main 1984
[4]  Pfeifer/Häusler/Lutz: Konkrete Fachdidaktik Chemie, Oldenburg 1992

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