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Lehrer-Schüler-Konferenz von Thomas Gordon
Thomas Seilnacht  
 
In der gängigen Unterrichtspraxis sendet die Lehrkraft den Schülern oft Botschaften, die ihnen mitteilen, dass ihr Verhalten unannehmbar ist: Die Schüler sollen damit aufhören, ein Problem zu besitzen, das Problem soll weggesteckt werden, damit der Unterricht auf jeden Fall weiter gehen kann. Auf die wahren Ursachen des Problems wird dann nicht eingegangen. Diese „Sprache der Nichtannahme“ behindert nach Thomas Gordon nicht nur die Kommunikation, sondern verursacht auch weitere Probleme. Gordon zählt „zwölf Straßensperren der Kommunikation“ auf:
 
1. Befehlen: „Mach, dass du!“
2. Drohen: „Wenn du nicht, dann...!“
3. Moralisieren: „Du müsstest...“
4. Raten: „Es ist gut für dich...“
5. Belehren, logisch Argumentieren: „Wir wollen den Tatsachen in die Augen sehen...“
6. Verurteilen: „Du bist faul!“
7. Etikettieren: „Du benimmst dich wie...“
8. Diagnostizieren: „Du bist so, weil...“
9. Positive Bewertungen: „Eigentlich bist du so nicht...“
10. Mitfühlen: „Mir ging es auch so, das ist normal...“
11. Mit Fragen ins Kreuzverhör nehmen und in eine eigene Richtung steuern: „War es gut so, ist es so gewesen?“
12. Problem zerstreuen: „Denk an was anderes...“
 
Als Alternative empfiehlt Gordon eine „Sprache der Annahme“. Als Grundregel gilt: Nimm den Menschen so, wie er ist und sage offen, was dir gefällt oder nicht gefällt. Die Sprache der Annahme stellt für Lehrer und Lehrerinnen eine wichtiges Werkzeug beim sozialen Umgang in der Schule dar. Die Methoden der offenen Gesprächsführung lassen sich trainieren und werden im Unterricht immer wieder eingesetzt.
 
 
Methoden der Gesprächsführung 1. Passives Zuhören (Schweigen)
Für manche Lehrkräfte nicht ganz einfach, aber richtig angewendet sehr wirkungsvoll. Es geht nicht darum, dem anderen etwas zu sagen, sondern es verführt ihn, über das zu sprechen, was ihm wirklich nahe geht.
 
2. Bestätigende Funktionen
Eine besondere Wirkung besitzt nach Gordon die Körpersprache, die sich gezielt einsetzen lässt. Zustimmendes Nicken und Lächeln oder die Stirnrunzeln bei Ablehnung vermitteln dem Gegenüber Interesse an ihm. Dieses Interesse kann auch durch kurze verbale Mitteilungen erfolgen.
 
3. Türöffner
Als Türöffner fungieren „offene Fragen“, z.B. „Möchtest du mehr darüber erzählen?“
 
Die Fortführung des Gesprächs erfordert Einfühlungsvermögen und ein genaues Zuhören. Dabei ist zu beachten, dass viele Botschaften verschlüsselt sind.
 
Beispiel: Der Schüler hat zuvor einen dreistündigen Aufsatz geschrieben. Seine verschlüsselte Botschaft lautet: „Warum müssen wir heute so viel schreiben?“ Meistens reagiert die Lehrkraft dann nur auf den Code „viel schreiben“. Die Kunst des aktiven Zuhörens besteht darin, verschlüsselte Botschaften zu entschlüsseln und Rückmeldungen zu geben, z.B.: „Hattest du heute einen anstrengenden Tag?“
 
Der Verhaltensmodifikation - also dem gezieltem Aufbau von erwünschtem Verhalten - erteilt Thomas Gordon eine radikale Absage. Die Techniken der Verhaltensmodifikation orientieren sich am Behaviorismus. Gemessen wird nur das äußere Verhalten, Denken und Fühlen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das Lernen erfolgt nach dieser Methode aufgrund einer Reaktion auf Reize. Die Verhaltensänderung wird durch Belohnung oder Bestrafung hervorgerufen.
 
Nach Gordon wird das Problem bei dieser Methode auf den Schüler beschränkt. In Wirklichkeit besitzt aber der Lehrer das Problem, weil ihn der Schüler nervt. Möglicherweise gibt der Schüler zwar nach, innerlich wehrt er sich aber dagegen und wartet auf die nächste Möglichkeit, seine Abneigung zu zeigen. Aus diesem Grunde sind Ich-Botschaften ehrlicher als Du-Botschaften:
 
Du-Botschaft: „Seid endlich ruhig, sonst gibt es eine Strafarbeit“!
Ich-Botschaft: „Es stört mich, wenn ihr ständig dazwischenredet“!
 
Das Aussenden der Ich-Botschaften zeigt den Schülern
  • dass sie angenommen werden,
  • dass die Lehrkraft ein fühlender Mensch ist,
  • dass die Lehrkraft auch Schwächen besitzt,
  • dass die Lehrkraft ehrlich ist.
Aus diesem Grunde sind Ich-Botschaften viel wirkungsvoller als Du-Botschaften. Botschaften wandeln Rücksichtslosigkeit in Rücksichtnahme um! Probieren Sie es in Ihrem eigenen Unterricht aus!
 
Statt einer Verhaltensmodifikation empfiehlt Gordon die Modifikation der äußeren Rahmenbedingungen:
  • Leseecken und fröhliche Farben fördern die Identifikation mit der Lernumgebung
  • Eine Reizreduktion der Lernumgebung, z.B. durch das Reduzieren von Licht, vermittelt eine Konzentration der Aufmerksamkeit auf die gestellten Arbeitsaufgaben
  • Exkursionen öffnen die Schule nach außen
  • Eine individuell geordnete Zeiteinteilung, z.B. in Form eines Wochenplanes, ermöglicht individuell angepasstes Lernen
Diese Methoden werden z.B. in der Freiarbeit wirksam eingesetzt.
 
 
Die Lösung von Konflikten
 
Nach Thomas Gordon besteht ein Konflikt, wenn Bedürfnisse oder Wertvorstellungen auseinandergehen. Eine (leider) gängige Methode im Unterricht ist nach Gordon das Prinzip „Sieg oder Niederlage“: Gewinnt der Lehrer, setzt er seine Lösung durch. Beim Sieg des Schülers verliert der Lehrer, dem dann eine antiautoritäre Methode nachgesagt wird. Schlimmstenfalls setzt die Lehrkraft manchmal auf Sieg und dann wieder auf Niederlage. Sie ist manchmal streng, dann wieder nachgiebig. Als Folge beginnen die Schüler die Lehrkraft zu testen. Besonders kompliziert wird es, wenn in einer Klasse verschiedene Lehrkräfte mit unterschiedlichen Erziehungsstilen unterrichten. Unterrichtet ein Lehrer streng nach der Methode „Sieg“, fällt es den Schülern schwer, einen anderen Lehrer zu akzeptieren. Sie setzen Autorität gleich mit Macht und diese bleibt nur bestehen, solange die Schüler hilflos und abhängig sind. Sie reagieren mit Widerstand, Trotz, Rache, Lügen oder mit dem Tyrannisieren von schwächeren Mitschülern.Als Ausweg aus dieser Situation schlägt Gordon eine Konfliktlösung ohne Niederlagen vor. Die beteiligten Personen schließen sich zusammen und suchen gemeinsam eine Lösung. Eine Lösungsstrategie für eine bestehendes Problem könnte nach Gordon folgendermaßen aussehen:
 
I. Definition des Problems
  • Darlegung und Definieren des Problems
  • Erkennen der verschiedenen Bedürfnisse
  • Einsatz von Ich-Botschaften und aktives Zuhören
II. Sammlung möglicher Lösungen
  • Gebrauch von Türöffnern: „Welche Lösungen bietet ihr an?“
  • Schriftliche Fixierung von Ideen der Beteiligten
III. Auswertung der Lösungsvorschläge
  • Jede von Teilnehmern negativ bewertete Lösung wird fallengelassen
  • Die Lösung muss für alle akzeptabel sein
IV. Entscheidungsfindung
  • Es wird keine Abstimmung durchgeführt, stattdessen: Was wäre, wenn wir uns für diese Lösung entscheiden? Könnt ihr euch das vorstellen?“
  • Finden eines gemeinsamen Konsens: „Wir haben uns auf diese Lösung geeinigt. Ist jemand nicht einverstanden?“
  • Schriftliche Fixierung der Lösung
V. Realisierung der Entscheidung
  • Die Gruppe entscheidet über die Art und Weise des Vorgehens
  • Ein Zeit- und Aufgabenplan wird angefertigt
VI. Beurteilung des Erfolgs
  • Checken, ob das Problem noch besteht.
  • Möglicherweise erneutes Gespräch mit den Beteiligten
 
Beurteilung des Konzepts von Thomas Gordon

Die Vorgehensweise nach Gordon berücksichtigt das Prinzip der Mitwirkung und motiviert die Beteiligten, selbst an der Lösung zu arbeiten. Sie ermöglicht das Offenlegen von wirklichen Problemen und fördert das soziale Lernen. Die Beteiligten lernen, Ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern und ehrlich miteinander umzugehen. Problematisch wird das Konzept, wenn kein ehrlicher Umgang möglich ist oder einige Beteiligte die Offenheit zu ihren Gunsten ausnutzen. Eine Grundvoraussetzung für das Gelingen ist ein einheitliches Erziehungskonzept der Lehrkräfte, bzw. der Schule mit ihrem Profil (>Genseberger). Nur dann erfahren die Schüler eine Lernumgebung des Vertrauens und sind auch bereit, sich sozial zu engagieren.
 
 
Literatur

Thomas Gordon: Lehrer-Schüler-Konferenz, Heyne-Verlag

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