Morphium, Morphin

Aufbau und chemische Eigenschaften

Morphin-Molekül
Das Opiat Morphin oder Morphium ist ein Hauptbestandteil des Opiums, das durch Trocknen aus dem Milchsaft, dem Latex des Schlafmohns gewonnen wird. Morphin wird als Schmerzmittel verwendet, unterliegt aber als Rauschdroge den Vorschriften der Betäubungsmittelgesetze. Das Alkaloid ist in reiner Form ein weißes, kristallines Pulver. Mit einer Löslichkeit von 149 mg/l ist es nur schwer wasserlöslich. In Ethanol ist die Löslichkeit wesentlich besser. Die basische Wirkung aller Alkaloide ist auf das freie Elektronenpaar am Stickstoff-Atom zurückzuführen. In Medikamenten liegt der Wirkstoff in Form von wasserlöslichen Verbindungen wie Morphinhydrochlorid oder Morphinsulfat-Pentahydrat vor. Letzteres zeigt beim Auskristallisieren unter dem Mikroskop nadelige Kristalle. Starke Säuren und Alkalien greifen Morphin an, beim Erhitzen auf 190 °C sublimiert es. Die Dichte bei 20 °C beträgt 1,32 g/cm³. Beim starken Erhitzen mit einem Brenner entstehen nitrose Gase. Morphin kann wie Heroin noch bis zu vier Tage nach dem Konsum im Urin mit einem Schnelltest auf Opiate nachgewiesen werden.


Geschichte

Schlafmohn (Papaver somniferum) wurde vermutlich schon in der jüngeren Steinzeit angebaut und kultiviert. Umfangreiche Samenfunde bei den Pfahlbauern belegen die Bedeutung des Schlafmohns als Nahrungs- und Rauschpflanze. Die erste schriftliche Erwähnung findet die Pflanze bereits bei den Sumerern um 3000 vor Christus. In der Antike, aber auch in Indien wurde das Opium alkoholischen Getränken zugesetzt. Das Wort Opium leitet sich vom griechischen Wort opion ab („Milchsaft“). Kurz nach dem Verblühen enthält die Kapsel des Schlafmohns am meisten des opiumhaltigen Milchsaftes. Beim Ritzen mit einem Messer tritt der Saft heraus, der an der Luft durch Oxidation braun wird und sich zu einer klebrigen Masse umwandelt. Am nächsten Tag kratzt man die Masse ab. So erhält man pro Kapsel etwa 20 bis 50 Milligramm Rohopium.

Als Opium bezeichnet man den getrockneten Milchsaft des Schlafmohns, der mindestens 9,5 Prozent des Wirkstoffes Morphin enthält. Das Produkt kommt als braune, rundliche Stücke oder als Pulver in den illegalen Handel. Zur Gewinnung von einem Kilogramm Opium werden mindestens 20000 Mohnkapseln benötigt. Der deutsche Apothekergehilfe Friedrich Wilhelm Sertürner (1783–1841) isolierte im Jahr 1804 Morphin aus dem opiumhaltigen Saft des Schlafmohns. 1952 gelang dem US-amerikanischen Chemiker Marshal deMotte Gates (1915–2003) unter der Beteiligung von Gilg Tschudi erstmals die Totalsynthese des Morphins.

Die Engländer produzierten zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Opium in Indien und führten es gegen den Willen der Chinesen in China ein, um eine Tauschware für chinesische Produkte zu besitzen. Dies führte in China zu einem massiven Suchtproblem unter der Bevölkerung. Die Chinesen versuchten, den Handel zu unterbinden. Nach einer Beschlagnahmung der Handelsware und der Verhaftung von britischen Opiumhändlern auf Anordnung des chinesischen Kaisers zettelten die Engländer von 1839 bis 1842 einen Krieg an, der als Erster Opiumkrieg in die Geschichte einging. Die Chinesen verloren den Ersten Opiumkrieg und auch den späteren Zweiten Opiumkrieg von 1856 bis 1860. Nach Beendigung der Kriege und der Besetzung Pekings durch westliche Kolonialmächte wurde der chinesische Kaiser zu einem Vertrag gezwungen, der den Opiumhandel in China legalisierte. In den folgenden Jahren wurde die Opiumabhängigkeit auch in Europa zu einem Massenphänomen, dem viele Menschen zu Opfer fielen. Das Morphium war aber auch als Schmerzmittel bei Operationen und Verletzungen unentbehrlich geworden, in den beiden Weltkriegen hatten die Soldaten ein Kästchen dabei, das 10 Spritzen mit einem Morphiumpräparat enthielt.

Das 1912 in Den Haag beschlossene Internationale Opiumabkommen regulierte den Handel mit Opium und dessen Einsatz. Die erste Version des Schweizer Betäubungsmittelgesetzes stammt aus dem Jahr 1951, in Deutschland wurden Betäubungsmittelgesetze 1961 und 1971 verabschiedet, ein Vorläufer war das Opiumgesetz aus dem Jahr 1929 der Weimarer Republik. Opium darf heute nur unter staatlicher Aufsicht verarbeitet und für medizinische Produkte verwendet werden.


Wirkung auf den menschlichen Körper

Morphin wird aufgrund seiner schlechten Wasserlöslichkeit etwas weniger toxisch als die löslichen Morphin-Verbindungen wie Morphinhydrochlorid. Dieses wirkt toxisch beim Verschlucken, bei Hautkontakt oder beim Einatmen. Es kann auch allergische Reaktionen wie Juckreiz verursachen. Die wirksame, medizinische Dosis liegt bei etwa zehn Milligramm. Bei Herzinfarkten nimmt der Wirkstoff dem Patienten die akute Todesangst. Morphium wirkt schmerzstillend, beruhigend und erzeugt eine positive Stimmlage. Auch schöne Tagträume werden induziert. Bei höheren Dosen erreicht man einen narkoseähnlichen Zustand. Bei mehr als 50 Milligramm besteht die Gefahr eines Atemstillstandes.

Codein-Molekül
In der Medizin wird das Morphin auch Morphium genannt. Neben dem Morphin befinden sich 30 verschiedene Opium-Alkaloide im Rohopium. Das im Opium enthaltene Codein wirkt hustenstillend, da es den Hustenreiz unterdrückt. Betrachtet man die Strukturformel des Codeins (Bild rechts), dann fällt die Ähnlichkeit zum Morphin auf. Codein ist ein verkehrsfähiges Betäubungsmittel, das als Medikament zugelassen ist. Es ist aber verschreibungspflichtig, der Umgang damit ohne Erlaubnis ist strafbar. Vor allem kann man relativ leicht daraus Morphin herstellen.

Das ebenfalls im Opium enthaltene Papaverin führt zu einer Erschlaffung der Muskulatur und wirkt krampflösend, besonders im Magen-Darm-Bereich. Das Narcotin verstärkt die narkotisierende Wirkung des Morphins.

Das Inhalieren von Opiumdämpfen über spezielle Opiumpfeifen ist seit dem Altertum dokumentiert. Beim heutigen, sogenannten „Blechrauchen“ wird Opium auf einem Aluminiumblech erhitzt und die Dämpfe werden über einen Strohhalm inhaliert. Aufgrund des bitteren Geschmacks wird Opium nur in seltenen Fällen gegessen oder in einem Tee getrunken. Die intravenöse Anwendung ist aufgrund der vorhandenen Verunreinigungen im Rohopium lebensgefährlich. Die zunächst als wohltuende empfundene seelische Ruhe und Ausgeglichenheit wird bei längerem Gebrauch nur noch durch eine Steigerung der Dosis erreicht. Dies führt bei längerem Gebrauch zu einer körperlichen Abhängigkeit. Die Gefahr einer Abhängigkeit besteht auch beim Genuss von Heroin, da dieses im Körper zu Morphin abgebaut wird. Das Weglassen des Wirkstoffes bei einer abhängigen Person führt zu Entzugserscheinungen. Diese manifestieren sich einem Zustand der Erregung, der sich durch Aggressivität, Ruhe- und Schlaflosigkeit, sowie durch vegetative Erscheinungen wie Schwitzen und Erbrechen auszeichnet. Vergiftungsfälle durch frische Pflanzenteile sind wenig bekannt. Allerdings kommen Überdosierungen beim Drogengenuss öfters vor. Die Symptome sind Schwindel, Erbrechen, Erschlaffung, Bewusstlosigkeit und schwere Atemnot. Ein besonderes Merkmal ist eine charakteristische Pupillenverengung. Der Tod tritt durch eine zentrale Atemlähmung ein.


Halb- oder vollsynthetische Opioide

Ein Beispiel für ein halbsynthetisches Opioid ist das Heroin, das durch eine Acetylisierung des Morphins gewonnen wird. Besonders heimtückisch ist die vor allem in Russland verbreitete Droge „Krokodil“ (auch Crocodile oder Croc). Das enthaltene Desmorphin wird aus codeinhaltigem Hustensaft unter Verwendung von Iod und rotem Phosphor aus Streichholzschachteln in illegalen Labors gewonnen. Die aufgrund der Herstellungsmethode vorhandenen Verunreinigungen wirken stark toxisch. Der Name Krokodil geht auf Hautveränderungen bei der Einstichstelle zurück. Die Haut wird schuppig wie bei einem Krokodilpanzer, das Gewebe löst sich allmählich auf und die meisten Drogenabhängigen sterben ohne eine Entzugstherapie. Vollsynthetische Opioide wie Methadon oder Fentanyl werden vollständig im Labor hergestellt. Methadon wird als Ersatzstoff zum Entzug bei Heroinabhängigkeit unter medizinischer Aufsicht eingesetzt. Es wirkt wie Heroin als Opioidrezeptor, es ist ebenfalls toxisch, es erzeugt aber keinen „Kick“ und verstärkt daher nicht die Sucht. Fentanyl dient als Schmerzmittel bei Operationen, leider wird es aber auch als Rauschdroge besonders in den USA missbraucht.


Bilder zum Morphium

Morphiumspritzen
Lupe
Schlafmohn Papaver somniferum, Blüte und Kapsel
Morphiumspritzen
Lupe
Austretendes Latex nach dem Ritzen der Mohn-Kapsel mit einem Messer
Morphiumspritzen
Lupe
Etui und Spritzen mit Morphiumpräparat aus dem 2. Weltkrieg

Literaturquellen

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Berger, Markus: Psychoaktive Drogen, Nachtschatten Verlag, Solothurn 2017
Köhler, Thomas: Rauschdrogen und andere psychotrope Substanzen, dgvt-Verlag, Tübingen 2014
Metzger, Kathrin: Der Opiumkrieg (1839–1842). Opium als alleiniger Auslöser des Krieges?, Grin Verlag, München 2014
Lide, David R.: CRC Handbook of Chemistry and Physics, 88th Edition, 2008
Parnefjord, Ralph: Das Drogentaschenbuch, Thieme, Stuttgart 2005
Peter/Vollhardt/Schore: Organische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim 2005
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Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, AT Verlag, Aarau 2004
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Schäfer, Bernd: Naturstoffe in der chemischen Industrie, Elsevier, München 2007
Schmidbauer, Wolfgang und vom Scheidt, Jürgen: Handbuch der Rauschdrogen, Fischer, München 2003
Schmitz, Rudolf: Geschichte der Pharmazie, Govi-Verlag, Eschborn 1998
Seilnacht, Thomas: Mediendatenbank Biologie, USB-Stick, Seilnacht Verlag & Atelier, Bern/Thun 2002–2022
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